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Ein „Vater“ der Gesamtschule

Ludwigshafener Rundschau vom 24.07.2021

Ein „Vater“ der Gesamtschule

Leute im Landkreis: Er hat die Integrierte Gesamtschule in Mutterstadt mitgegründet und geprägt. Und er ist ihr immer treu geblieben, fast 30 Jahre lang, und kann viel berichten. Jetzt ist Jürgen Schmidt in den Ruhestand verabschiedet worden – aber zu ruhig wird es sicher nicht. Das verrät schon ein T-Shirt-Spruch.

Altrip/Mutterstadt. Jürgen Schmidt sitzt entspannt im Schatten eines riesigen Nussbaums in seinem wunderschönen weitläufigen Garten. Hier sehe man ja schon, was er alles zu tun habe, sagt der 64-Jährige lachend mit einer Handbewegung zu üppiger Blütenpracht und grüner Oase, zu Kräutergarten und Stauden, zum selbst gebauten neuen Backhaus und zu ebenfalls selbstgezimmerten Hütten und Freisitzen. „Meine Frau hat die Hand zum Gestalten, ich habe die Hand zum Graben“, stellt der frisch pensionierte Lehrer die Aufgabenverteilung klar. Seit mehr als 30 Jahren lebt die Familie in dem früheren BASF-Siedlungshaus in Altrip. In die Pfalz gekommen ist Schmidt – geboren in Idar-Oberstein und aufgewachsen in Bad Kreuznach – durch den Beruf. 1983 begann er nach seinem Lehramtsstudium für Mathematik und Sport – später kam noch Informatik hinzu – ein Referendariat an der Berufsbildenden Schule für Naturwissenschaften in Ludwigshafen, wo er dann auch bis 1990 unterrichtete. Er lernte seine Frau kennen, „beim Volleyball“, und wurde Wahlpfälzer.

Aufbau von Grund auf„Ich wollte immer an eine Integrierte Gesamtschule, schon während des Studiums“, sagt Schmidt. Diese Schulform war damals noch neu, es gab erst drei in Rheinland-Pfalz, darunter die IGS in Ludwigshafen-Oggersheim. Dreimal habe er sich dorthin beworben, bis es klappte. Dann kam der Machtwechsel im Land, und der Aufbau von Gesamtschulen wurde von der neuen SPD-Landesregierung forciert. Und für Jürgen Schmidt bot sich eine reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe: die Gründung einer neuen IGS anzustoßen und zu begleiten, in Mutterstadt. „Das hatte ich mir gewünscht, so eine Einrichtung von Grund auf aufzubauen.“ Eine achtköpfige Gruppe machte sich daran, ein pädagogisches Konzept zu erstellen, „wir hatten ein halbes Jahr Zeit, das gab es bei späteren IGS-Gründungen nicht mehr“, erinnert sich der Pädagoge. Viele Wochenenden seien mit Planung verbracht worden, zum Beispiel sei die Idee entstanden, darstellendes Spiel als Wahlpflichtfach aufzunehmen, das habe es damals kaum gegeben. 1993 dann startete die neue IGS mit 100 Schülern in vier fünften Klassen. Beengt im Haus B, denn damals residierten in dem Komplex noch Haupt- und Realschule. „Fünf Klassenräume und ein umgebautes Lehrerzimmer und Sekretariat in einem. Am Anfang haben wir auf Bierzelt-Garnituren gesessen“, erinnert sich Schmidt lachend. Haupt- und Realschule wurden dann nach und nach nach Limburgerhof verlegt, die IGS zu ihrer heutigen Größe erweitert. Jürgen Schmidt hat bis zu den Sommerferien ununterbrochen an der IGS in Mutterstadt unterrichtet, die letzten 18 Jahre als Leiter der Oberstufe. Vier Schulleiter hat er erlebt. Wechseln wollte er nie, „das war immer meine Schule“. Die sich natürlich im Laufe der Jahre gewandelt hat. War das System der IGS am Anfang nicht unumstritten, „das sei nur ein Schmalspurabitur, war so ein Vorurteil“, so ist diese Schulform nun etabliert. Auch Sohn und Tochter besuchten die IGS in Mutterstadt, trotz der nicht sehr günstigen Verbindung von Altrip. Schmidt selbst ist meistens mit dem Fahrrad gefahren – ganz fitter Sportlehrer. Am Anfang seien die Eltern viel mehr eingebunden gewesen, erzählt der Pädagoge, in die Schülerbetreuung und Arbeitsgemeinschaften etwa, sogar Mittagessen sei von Eltern zubereitet worden. Dieser persönliche Einsatz habe deutlich nachgelassen. Es gab mehr Förderstunden, sagt er noch. Und die Profiloberstufe, in der auch die Großen in einer Art Klassenverband blieben, weil nur Fächerkombinationen als Leistungskurse gewählt werden konnten, endet gerade mit dem kommenden Jahrgang. „Das tut mir etwas leid, das war so ein bisschen mein Kind“, sagt Jürgen Schmidt nachdenklich.

„Professioneller Opa“Seine Nachfolgerin als Oberstufenleiterin, Anja Dietz, hat in den vergangenen zwei Jahren schon mitgearbeitet an dieser Aufgabe, „das war ein nahtloser Übergang“, betont Schmidt. Auch für ihn in den Ruhestand. Was ihn neben Garten- und Handwerksarbeiten auch künftig intensiv beschäftigen wird, hat Jürgen Schmidt bei der Verabschiedungsfeier zum Schuljahresende auf dem T-Shirt spazieren getragen: „Ich bin nicht im Ruhestand. Ich bin professioneller Opa“, stand darauf. Vier Enkel zwischen fünf Monaten und vier Jahren erfreuen den zweifachen Vater und „Profi-Opa“, die Tochter wohnt mit ihrer Familie zur großen Freude der Großeltern direkt nebenan. In Urlaub verreisen müsse er ja nicht groß, sagt der Wahl-Altriper mit Blick auf sein grünes Idyll. Mit einem kleinen Wohnwagen fahren sie schon mal gerne los – und Skandinavien zu bereisen ist noch so ein Traum. Ach ja: Kanu fahren will der Neu-Pensionär wieder öfter, das hat er früher in der IGS auch als AG angeboten. Und dafür ist ja seine Wahlheimat Altrip wie geschaffen.

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